Absatzrückgänge, hohe Kosten und der Wandel zur Elektromobilität setzen Hersteller und Zulieferer unter Druck. Es bedarf gezielter Lösungen, um eine Trendwende zu erreichen.
Die Automobilindustrie, eine Schlüsselbranche der deutschen Wirtschaft, steht vor erheblichen Herausforderungen. Die Auslastung deutscher Automobilbaukapazitäten liegt nur noch bei zwei Dritteln, was Dominoeffekte entlang der gesamten Wertschöpfungskette auslöst. Viele Unternehmen geraten in eine Ertrags- und Liquiditätskrise, da die Nachfrage deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibt.
Zudem erschwert die strenge Regulatorik in der Kreditvergabe die Refinanzierung der Unternehmen. Auch der M&A-Markt für Unternehmensverkäufe ist fast zum Erliegen gekommen. Gleichzeitig setzt der globale Wettbewerb, insbesondere aus China und den USA, deutsche Hersteller unter Druck.
Der Wertschöpfungsanteil der Zulieferindustrie liegt bei rund 70 %, weshalb sie überproportional von der Absatzkrise betroffen ist. Viele Zulieferer stehen unter starkem Kostendruck und sind es gewohnt, die Effizienz permanent zu steigern. Im Ergebnis stehen häufig nur überschaubare operative Restrukturierungshebel zur Verfügung.
In den vergangenen 12 Monaten ist die Zahl der Krisenfälle exponentiell gestiegen. Das gilt insbesondere für außergerichtliche und zunehmend auch für gerichtliche Sanierungsverfahren.
Konkurrenzfähige E-Autos
Die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Automobile mit konventioneller Antriebstechnik ist unbestritten. Die Effizienz und Leistungsfähigkeit deutscher Motoren und das ansprechende Design gehören zu den Alleinstellungsmerkmalen und Kernkompetenzen deutscher Automobilhersteller. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Hersteller auch preislich und technologisch konkurrenzfähige Elektrofahrzeuge auf den Markt bringen. Aktuell gibt es jedoch noch kein deutsches Elektroauto für den Massenmarkt.
Neben einer leistungsfähigen Batterie spielt die im Auto zum Einsatz kommende Software zunehmend eine Schlüsselrolle, um international wettbewerbsfähig zu sein. Smart Driving umschreibt eine Vielzahl von vernetzten Softwarelösungen, die die Fahrsicherheit unterstützen und ein autonomes Fahren ermöglichen sollen.
Nachhaltige Förderpolitik
Nur durch eine gezielte Kombination aus technologischem Fortschritt und politischen Rahmenbedingungen kann die deutsche Autoindustrie ihre Stärken ausspielen. Dabei ist zu verhindern, dass sich vergangene Fehler aus anderen Industriebereichen wiederholen, wie einst in der Solarbranche, als der Markt von asiatischen Anbietern dominiert wurde. Die Autoindustrie benötigt eine nachhaltige und verlässliche Förderpolitik. Das Hin und Her bei der Mobilitätswende verunsichert Unternehmen und Verbraucher. Dabei sind u.a. folgende Maßnahmen erforderlich: Flächendeckender Ausbau der Ladeinfrastruktur, günstiger Ladestrom aus erneuerbaren Energien und staatliche Anreize zur Absatzsteigerung.
Eine Stimulation der Nachfrage durch staatliche Intervention erscheint sinnvoll. Denn angesichts der aktuellen Krise wird die Zahl der Insolvenzverfahren in der Automobilbranche weiter steigen. Letztlich sind solche Verfahren aber für Ausnahmesituationen geschaffen worden. Die deutsche Automobilindustrie steckt in einer veritablen Strukturkrise. Insoweit ist es im gesamtwirtschaftlichen Interesse vertretbar, durch einen Kanon von Fördermaßnahmen diese Krise zu bewältigen.
· Bernd Richter