PLUTAnews Ausgabe 3
Wir helfen Unternehmen.

Was bringt die Eigenverwaltung?

September 2012

Das im März in Kraft getretene Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) sorgt weiterhin für Gesprächsstoff. Das ESUG will die Hemmschwelle für die Anmeldung einer Insolvenz absenken und die Chancen für eine Sanierung erhöhen. In der Praxis erweist sich dieser Anspruch als Herausforderung für alle Beteiligten.

Karikatur - Was bringt die Eigenverwaltung?

Bei einem Antrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und einer Expertenbescheinigung, dass eine Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist (Schutzschirmverfahren), darf sich der Schuldner seinen Sachwalter mitbringen. Ansonsten entscheiden die Gläubiger mit. So weit die Theorie.

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ESUG: Aller Anfang ist schwer

Rund um die Eigenverwaltung gibt es derzeit noch eine Menge offener Fragen. PLUTA-News zeigt erste Lösungsansätze.

Was passiert, wenn sich keine Gläubiger für den Gläubigerausschuss finden?
Gläubigerausschüsse kosten Zeit und damit Geld und die Richter können niemanden zur Teilnahme zwingen. Denkbar wäre, den zwingenden Gläubigerausschuss als Gläubigerschutzvorschrift zu interpretieren, auf deren Schutz bei einer Nichtteilnahme verzichtet wird.

Darf der „Bescheiniger“ gleichzeitig Schuldner sein?
In der Tat scheint dies möglich, wenn das Unternehmen zuvor einen Insolvenzexperten in den Vorstand berufen hat. Es fehlt eine gesetzliche Regelung wie im Verhältnis zwischen Sachwalter und Bescheiniger, die dort die Personenidentität ausschließt.

Begründet der Sachwalter oder der Schuldner Masseverbindlichkeiten?
Hier besteht noch Klärungsbedarf. Bislang entscheiden die Richter unterschiedlich und sehen einmal den Sachwalter (AG Hamburg) und einmal den Schuldner am Zug (AG Köln).

Wie funktioniert die Insolvenzgeldvorfinanzierung?
In jedem einzelnen Fall müssen die Schuldner bzw. deren Berater eine Bank finden, die ins Risiko geht und den eigenverwaltenden Schuldner anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters als Kreditnehmer akzeptiert. Eine Arbeit, die viel Erfahrung und ein gutes lokales Netzwerk voraussetzt.

Wer haftet bei einer gescheiterten Eigenverwaltung und in welchem Umfang?
Das ist ein Problem für Bescheiniger und Schuldner, da es ja offenkundig doch keine positiven Sanierungschancen gab. Noch ist fraglich, ob die Bescheinigung eine drittschützende Wirkung entfalten kann; der Schuldner wird wohl direkt für neue Verbindlichkeiten haften müssen.

Expertengruppe zum Insolvenzrecht

Seit Mitte dieses Jahres gibt es eine Expertengruppe zum Insolvenzrecht der Europäischen Kommission. Mitglied des 25-köpfigen Gremiums ist auch Juan Ferré von der spanischen PLUTA Abogados GmbH. Die Aufgabe der Expertenrunde besteht darin, die seit 2002 geltenden EU-Vorschriften zu Insolvenzverfahren zu prüfen und Anregungen für eine mögliche Überarbeitung zu geben. Angesichts der jüngsten Entwicklungen im Insolvenzrecht in den Mitgliedstaaten besteht Modernisierungsbedarf. Die Expertengruppe will unter anderem die Effektivität der durchgeführten Insolvenzverfahren sowie die Auswirkungen der Vorschriften auf die europäische Wirtschaft analysieren.

PLUTAaktuell

OKU mit neuen Aufträgen

Stuttgart Dass Unternehmen auch in der Insolvenzphase erfolgreich arbeiten können, beweist die Maschinenbaufirma OKU. Das schwäbische Unternehmen hat erneut größere Aufträge an Land gezogen. Unter anderem erteilte ein Kunde einen Großauftrag in Höhe von mehr als 1,5 Mio. Euro. Das erreichte Auftragsniveau sichert dem Winterbacher Unternehmen eine sehr gute Auslastung und finanzielle Stabilität. OKU befindet sich seit 2010 im Insolvenzverfahren.

Im Jahr 2011 erzielte der Hersteller von Montagemaschinen und Zuführtechnik ein Wachstum von mehr als 20 Prozent. Das Ergebnis konnte sogar überproportional zulegen. Davon profitierten auch die 120 Mitarbeiter. Sie haben eine Prämie in Höhe eines Monatsgehalts erhalten. Bei OKU läuft unterdessen weiterhin der Verkaufsprozess. Der Insolvenzverwalter Michael Pluta führt dazu Gespräche mit Interessenten, die ernsthaftes Interesse an einer Übernahme des Maschinenbauers haben. „Das Konzept und der Kaufpreis müssen stimmen“, so Pluta.

Geld für Gold-Zack- Gläubiger

Der Insolvenzverwalter Stefan Conrads ließ nicht locker. In den vergangenen Jahren studierten bis zu acht Mitarbeiter Akten im Zuge der Insolvenz der Gold-Zack AG. Meterhoch türmten sich die Aktenordner im PLUTABüro. Der Aufwand hat sich gelohnt. Die Gläubiger erhalten mehrere Millionen Euro zurück.

Köln Conrads konnte bislang eine Quote von 7,5 Prozent an die Gläubiger der Gold-Zack AG i.L. ausschütten. Neun Jahre nach Anmeldung der Insolvenz gelingt dem PLUTA-Rechtsanwalt eine Vorabausschüttung in einem Verfahren, bei dem er zu Beginn nur knapp 6.000 Euro Insolvenzmasse vorgefunden hatte.

Seit 2003 arbeitet Rechtsanwalt Conrads mit seinem Team die Unterlagen des zuletzt als Aktien-Emissionshaus am Neuen Markt tätigen Unternehmens auf. „Da wir beim Punkt Null gestartet sind und die Masse zu 90 Prozent aus erkämpften Anfechtungs- und Organhaftungsansprüchen besteht, hat sich die jahrelange akribische Arbeit auf jeden Fall ausgezahlt“, erklärt Conrads.

Hohe Quote bei Bildungsverein

Frankfurt Insolvenzverwalter Dr. Stephan Laubereau konnte die erste Ausschüttung in Höhe von 40 Prozent an die Gläubiger der Lehrerkooperative Bildung und Kommunikation e.V. vornehmen. Er rechnet damit, nochmals Geld an die rund 750 Gläubiger ausschütten zu können, sodass sich die Quote auf insgesamt rund 65 Prozent erhöhen dürfte.

Die Lehrerkooperative zählt zu den größten freien Trägern im Kindergartenbereich der Stadt Frankfurt. Eigentümer ist mittlerweile der hessische Arbeiter-Samariter-Bund (ASB). Der Verein ging Ende 2010 in die Insolvenz. Ein knappes Jahr führte Dr. Laubereau den Betrieb in der Insolvenz fort und legte damit die Basis für eine erfolgreiche Zukunft. Unter dem neuen Namen betreibt die ASB Lehrerkooperative weiterhin mehr als 40 soziale Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen. Darüber hinaus bietet sie auch Deutschkurse für Migranten an.

Schuldner bekommt Geld zurück

Hamburg Christian Heim konnte in einem Privatinsolvenzverfahren eine Quote von 100 Prozent an die Gläubiger ausschütten. Das Amtsgericht Stade hatte den PLUTA-Rechtsanwalt zum Treuhänder bei einer Anschlussinsolvenz bestellt. Der Geschäftsführer und Gesellschafter einer insolventen GmbH musste auch Privatinsolvenz anmelden. Darüber hinaus wird Heim auch die nachrangigen Forderungen zu 100 Prozent bedienen können. Hier rechnet der Hamburger Verwalter mit einer Ausschüttung im Herbst dieses Jahres. „Unsere Arbeit hat sich ausgezahlt. Am Ende dürfte sogar der Schuldner noch Geld zurückbekommen. Das ist außergewöhnlich“, erklärt PLUTARechtsanwalt Heim.

Möllen zum vorläufigen Sachwalter bestimmt

München Das Amtsgericht Traunstein hat PLUTA-Anwalt Mirko Möllen zum vorläufi gen Sachwalter der Sportzentrum Traunstein GmbH & Co KG bestimmt. Das Amtsgericht wendet dieses Verfahren erstmalig nach Inkrafttreten des ESUG an. Darüber hinaus wird Rechtsanwalt Möllen noch bei zwei Gesellschaften bürgerlichen Rechts (Reha-Fitness und Reha Med) das Amt des vorläufi gen Sachwalters ausüben. Die Gesellschaften wollen eine Restrukturierung im sogenannten Schutzschirmverfahren durchführen. Möllen wird die wirtschaftliche Lage der Gesellschaften prüfen, die Sanierung begleiten und die Verfahren überwachen, damit keine Nachteile für die Gläubiger entstehen.

Firmengeschichte wird fortgeschrieben

Leipzig Insolvenzverwalter Stefan Kahnt hat den Geschäftsbetrieb der insolventen Galvanik und Oberflächentechnik Spielvogel GmbH verkauft. Der ehemalige Geschäftsführer Uwe Spielvogel übernimmt den Standort und Geschäftsbetrieb im Rahmen einer übertragenen Sanierung. Fast alle Arbeitnehmer und Auszubildenden wechselten nahtlos zum Käufer. „Die Zukunft des Standortes war ungewiss. Es freut mich umso mehr, dass die 45-jährige Firmengeschichte fortgeschrieben wird“, so Kahnt.

Mercedes-Vertragswerkstatt verkauft

Hannover Insolvenzverwalter Torsten Gutmann hat die insolvente J & G Autohaus Alpers GmbH veräußert. Nach erfolgreichen Verhandlungen gelangen dem Insolvenzverwalter die Übertragung des gesamten Geschäftsbetriebes sowie die Veräußerung des Betriebsgrundstücks an Tochtergesellschaften der Daimler AG. Alle Mitarbeiter der insolventen Gesellschaft wurden vom Käufer übernommen.

100 Prozent Quote

Leipzig Rechtsanwalt Michael Schoor konnte erst kürzlich allen Gläubigern der ZFA Roßwein GmbH 100 Prozent auf die festgestellten Forderungen auszahlen. Die Gesellschaft war auf dem Gebiet der Förder- und Aufzugstechnik tätig und als Prüf- und Zertifi zierungsstelle für Sicherheitsbauteile akkreditiert. 2009 hatte der Verwalter alle Anlagen im Rahmen einer übertragenden Sanierung dem Freistaat Sachsen übergeben.

Neuer Standort in Kassel

Kassel Das Netzwerk der PLUTA-Niederlassungen wächst weiter. Seit Kurzem ist die Kanzlei auch in Kassel vertreten. Die Leitung des neuen Büros übernimmt Rechtsanwalt Dr. Mario Nawroth. Er war bereits für die Gutmann Insolvenzverwaltung tätig, die sich im vergangenen Jahr der PLUTA Rechtsanwalts GmbH anschloss.

Dialog: Interview mit Torsten Gutmann

„Man bleibt auf dem Teppich.“

Sie sind seit 2011 bei PLUTA. Wie ist Ihr Fazit?
Der Schritt kam genau zur richtigen Zeit. Nach Einführung des ESUG ist es noch wichtiger als vorher, den Gerichten und Gläubigern ein Angebot für eine umfassende Insolvenz verwaltung zu machen. Wir waren schon vorher regional stark verankert. Nun kommt die Vernetzung über PLUTA im Bundesgebiet und über das BTG Global Network international hinzu.

Warum wurden Sie Insolvenzverwalter?
Nach der Banklehre und dem Zivildienst in einer Kinderklinik hatte ich bereits vor dem Studium die Insolvenzverwaltung als Berufsziel. Ich wollte mit wirtschaftlichem und juristischem Know-how in Krisensituationen gute Ergebnisse erzielen. Die Insolvenzverwaltung erschien mir die geeignete Tätigkeit.

Sie haben Rechtswissenschaften und BWL studiert. Ein Vorteil?
Unbedingt. Als Insolvenzverwalter muss man profunde Kenntnisse auf beiden Feldern haben. Die Entscheidung war goldrichtig.

Was gefällt Ihnen an Ihrem Job?
Man bleibt auf dem Teppich. Bei den Verfahren geht es nicht um den Verwalter, sondern um den Erhalt der Arbeitsplätze, das Geld der Gläubiger und die Sanierung des Unternehmens und des redlichen Schuldners.

An welches Verfahren erinnern Sie sich besonders gerne?
Als junger Verwalter stand ich nach mehreren Monaten der Betriebsfortführung vor der Entscheidung, einen Industriebetrieb stillzulegen. Am Tag der Entscheidung konnte ich noch vor der Betriebsversammlung den Betrieb veräußern.

Und was war Ihr schwierigster Fall?
Die Insolvenz der Speditionsfi rma Ricö mit 1000 Mitarbeitern, angeblich über 6000 Fahrzeugen europaweit verstreut und Tochterfi rmen in Polen und der Ukraine. Die Sicherstellung der Fahrzeuge und die Vermögensermittlung war angesichts der besonderen Umstände und krimineller Machenschaften eine Sisyphusarbeit.

Sie sind derzeit Insolvenzverwalter einer Brauerei. Trinken Sie auch Bier?
Ich komme aus Freiburg und damit aus einer Weingegend. Als Hobby-Ausdauersportler habe ich mich jedoch vor mehreren Jahren entschieden, gar keinen Alkohol mehr zu trinken.

Wie können Sie abschalten?
Mit meiner Familie, bei Bergsport, Triathlon und Alpen- Radmarathons.

Torsten Gutmann

Torsten Gutmann
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Diplom-Kaufmann

Zur Person

Torsten Gutmann gehörte 2011 zu den meist bestellten Verwaltern Niedersachsens. Gemeinsam mit seinen 45 Mitarbeitern baute er die Gutmann Insolvenzverwaltung zur zweitgrößten Kanzlei in Niedersachsen auf. Im November 2011 schloss sich Gutmann der PLUTA Rechtsanwalts GmbH an. Unter dem neuen Dach setzt das Team seinen erfolgreichen Weg fort.

PLUTAkurios

Schreiben eines Schuldners

Ihre gesetzte Schonfrist in meinem Insolvenzverfahren ist zu Ende. Ihren Umsatzsteuerbetrug im Insolvenzverfahren haben Sie bis zum heutigen Tag gegen mich zu rechtfertigen und zu verantworten. Die bewusst betriebene Rufschädigung und Geschäftsschädigung wird mit Ihnen getrennt abgerechnet werden. Ihre Tätigkeit als Insolvenzverwalter ist sofort beendet.

Bei der neuen Ins0-Reform sollte ein neuer Tatbestand geschaffen werden:
Aufhebung des Verfahrens durch Erklärung des Schuldners.

Hinweise
PLUTAnews erscheint dreimal jährlich mit aktuellen Branchen Insights der Sanierungs- und Restrukturierungsbranche. Nachdruck und Vervielfältigungen sind nur mit vorheriger Genehmigung von PLUTA gestattet.

Zu den Bildnachweisen

Redaktion
Dr. S. Laubereau
M. Pluta